
Die Entscheidung zur Trennung oder Scheidung fällt selten leicht. Wenn Kinder im Spiel sind oder eine lange Ehe hinter einem liegt, ist der Schritt besonders gravierend, emotional wie praktisch. Und doch wird ein Aspekt viel zu oft unterschätzt: die langfristigen finanziellen Folgen.
In meiner anwaltlichen Praxis begegnen mir immer wieder dieselben Denkfehler, insbesondere bei Frauen, die sich über Jahre stark in die Familie eingebracht haben. Dieser Artikel räumt mit fünf weitverbreiteten Irrtümern auf und zeigt, wie Sie sich finanziell klug aufstellen können.
Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Niklas Clamann, der sich in seiner Kanzlei in Münster auf die Durchführung der sogenannten Onlinescheidung spezialisiert hat.
Inhaltsverzeichnis
Scheidung Irrtum 1: „Ich habe kein eigenes Einkommen – ich kann mir die Trennung gar nicht leisten.“
Viele Frauen, die sich jahrelang um Haushalt oder Kinder gekümmert haben, zögern aus finanziellen Gründen, sich zu trennen. Dabei sichert das Gesetz den wirtschaftlich schwächeren Partner durch den sogenannten Trennungsunterhalt ab.
Trennungsunterhalt steht demjenigen Ehepartner zu, der nach der Trennung weniger oder gar kein Einkommen hat. Ziel ist es, den bisherigen Lebensstandard zumindest teilweise zu erhalten, bis die Scheidung rechtskräftig ist. Die Höhe des zu zahlenden Trennungsunterhalts richtet sich nach dem Einkommen der Ehepartner. In der Regel soll durch den Trennungsunterhalt sichergestellt werden, dass beide Ehegatten in etwa gleich hohe monatliche Einnahmen haben. Der Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt endet mit Rechtskraft der Scheidung.
Scheidung Irrtum 2: „Nach der Scheidung bin ich wieder komplett auf mich allein gestellt.“
Ein weitverbreiteter Irrtum. Auch nach der Scheidung kann es Ansprüche auf Unterhalt geben. Der Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt besteht zwar nicht mehr, aber daran kann ein Anspruch auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt anknüpfen. Dieser nacheheliche Unterhalt ist zum Beispiel dann zu zahlen, wenn aufgrund der Betreuung kleiner Kinder keine Vollzeitbeschäftigung möglich ist, wenn eine Erkrankung vorliegt oder eine Ausbildung nachgeholt werden muss. In der Regel ist aber Voraussetzung, dass die Ehe mindestens drei Jahre angedauert hat.
Nachehelicher Unterhalt dient nicht der dauerhaften Versorgung, sondern soll Übergänge erleichtern. Er hängt von vielen Faktoren ab, darunter Alter, berufliche Qualifikation, ehebedingte Nachteile und die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Ex-Partner. Die Höhe orientiert sich oft an dem zuvor gezahlten Trennungsunterhalt, kann aber angepasst oder befristet werden. In Ausnahmefällen, zum Beispiel wenn die Ehe über einen besonders langen Zeitraum angedauert hat, kann der nacheliche Unterhalt auch lebenslang zu zahlen sein.
Scheidung Irrtum 3: „Wir regeln das ohne Anwalt – wir verstehen uns ja noch gut.“
Einvernehmlichkeit ist wünschenswert, ersetzt aber keine rechtssichere Regelung. Viele Frauen verzichten auf juristischen Rat, um Konflikte zu vermeiden, und verschenken dabei mitunter erhebliche Ansprüche. Ein ganz zentraler Anspruch ist etwa der Zugewinnausgleich.
Haben Ehegatten keine abweichende Regelung durch einen Ehevertrag geschlossen, leben sie im Güterstand der sogenannten Zugewinngemeinschaft. Im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft wird bei einer Scheidung das während der Ehe erworbene Vermögen aufgeteilt. Wer weniger Vermögenszuwachs erzielt hat – häufig diejenige, die zugunsten der Familie beruflich kürzergetreten ist – erhält vom anderen Partner einen finanziellen Ausgleich. Die Berechnung kann komplex sein, insbesondere bei Immobilien oder Unternehmensanteilen. Ohne rechtliche Beratung bleibt dieser Anspruch oft ungenutzt.
Wichtig ist, zu verstehen, dass nicht das gesamte Vermögen der Ehepartner untereinander aufgeteilt wird, sondern nur das Vermögen, das während der Ehe hinzugewonnen wurde, also der Zugewinn. Vermögen, das schon vor der Ehe vorhanden war, wird ebenso nicht ausgeglichen wie Erbe, selbst wenn der Erbfall während der Ehezeit eingetreten ist.
Scheidung Irrtum 4: „Das mit der Rente ist noch weit weg – darum kümmere ich mich später.“
Die Folgen fehlender Rentenbeiträge werden meist erst im Alter spürbar und sind dann kaum noch auszugleichen. Deshalb ist der Versorgungsausgleich ein zentraler Bestandteil jeder Scheidung. Er wird vom Gericht automatisch gemeinsam mit dem Ehescheidungsverfahren durchgeführt.
Beim Versorgungsausgleich werden alle während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften beider Partner miteinander verrechnet. Es werden also alle Beiträge, die die Ehegatten während der Ehezeit in die Rentenversicherung eingezahlt haben, miteinander ausgeglichen. Derjenige mit dem geringeren Rentenanspruch erhält einen Ausgleich. So wird verhindert, dass sich Erziehungszeiten oder Teilzeitphasen im Alter existenzbedrohend auswirken. Für viele Frauen stellt dieser Ausgleich einen wichtigen Baustein der Altersvorsorge dar. Wer im Vertrauen auf den Fortbestand der Ehe weniger gearbeitet und dementsprechend kaum Altersvorsorge betrieben hat, wird durch den Versorgungsausgleich entschädigt.
Scheidung Irrtum 5: „Hauptsache, die Kinder sind abgesichert – um mich geht’s nicht.“
Mütter stellen oft die Bedürfnisse ihrer Kinder über die eigenen, auch in finanzieller Hinsicht. Umso wichtiger ist es, zu wissen, dass das Familienrecht die Versorgung der Kinder klar regelt und den betreuenden Elternteil entlastet.
Kindesunterhalt ist gesetzlich geregelt und unabhängig vom Familienstand. Er wird vom Elternteil gezahlt, bei dem das Kind nicht hauptsächlich lebt, und richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle. Daneben gibt es unter bestimmten Voraussetzungen auch Betreuungsunterhalt, insbesondere für unverheiratete Mütter, die ein Kleinkind betreuen und deshalb nicht arbeiten können.
Beide Formen des Unterhalts sollen sicherstellen, dass Kinder versorgt sind und dass die betreuende Mutter nicht allein die finanzielle Last trägt.
Fazit: Wer seine Rechte kennt, schützt sich vor finanziellen Nachteilen
Trennung oder Scheidung bedeuten nicht nur den Abschluss einer Beziehung, sondern auch den Übergang in einen neuen Lebensabschnitt. Dieser Übergang sollte gut vorbereitet sein, auch und insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht.
Das Familienrecht bietet umfassende Schutzmechanismen, insbesondere für denjenigen Partner, der sich während der Ehe vorrangig um Haushalt und Kinder gekümmert hat. Es liegt an Ihnen, diese Rechte auch geltend zu machen – nicht aus Trotz, sondern aus Verantwortung für die eigene Zukunft. Viele Sorgen rund um das Thema Trennung und Scheidung sind in finanzieller Hinsicht unbegründet, da der Gesetzgeber eine ganze Reihe von Regelungen getroffen hat, um den finanziell schwächeren Ehegatten in diesem Fall abzusichern.

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