
In Umbruchphasen brauchen Teams Orientierung, klare Kommunikation und Führung mit Haltung. Dr. Elisabeth Proksch von Proksch Consult verbindet Strategiearbeit mit Kultur- und Führungsentwicklung und übersetzt Erkenntnisse aus der Praxis unmittelbar in den Arbeitsalltag. Charakteristisch ist der Transfer aus pferdegestützten Lernsettings, in denen Wirkung und Verhalten ungefiltert sichtbar werden. Gleichzeitig rückt das Phänomen der „Accidental Manager“ in den Fokus – Menschen, die unerwartet führen und strukturiert unterstützt werden müssen. Wir sprechen mit ihr im Interview über ihre Consulting-Philosophie und ihre Methoden.
Inhaltsverzeichnis
Welche ersten Schritte sind bei einem “Accidental Manager” sinnvoll, um Rolle, Erwartungen und Unterstützungsbedarf sauber zu klären?
Ein Accidental Manager, also eine Person, die unerwartet in eine Führungsrolle gelangt ist, muss sich bewusst machen, dass er oder sie in eine Führungsrolle wechselt. Damit sind neue Rechte, Pflichten und Erwartungen verbunden. Eine Führungskraft muss die Leistung anderer steuern und deren Umsetzungsenergie aktivieren, also delegieren. Viele müssen erst lernen, andere „nur“ zu unterstützten und sich nicht selbst zu stark oder gar ganz in operative Aufgaben einzubringen. Es geht darum, andere „ins Rennen zu schicken“ und sich selbst zurückzuhalten. Vor allem im mittleren Management ist die Gefahr groß, dass sich Manager:innen zu stark involvieren. Im Top-Management ist diese weniger groß, da Führungskräfte hier oft schon mehr Führungserfahrung haben.
Accidental Manager müssen lernen, dass Führung eine andere Energie erfordert als die eigene operative Umsetzung. Der Delegationsmodus erfordert innere Ruhe und einen Fokus auf den Mitarbeitenden. Dazu zählen eine klare Auftragsübergabe und die Fähigkeit, Feedback in all seinen Facetten zu geben – sei es Lob für gute Arbeit oder konstruktive Kritik, wenn Leistungen nicht stimmen. Das ist besonders im Umgang mit erwachsenen Mitarbeitenden oft herausfordernd, da neue Führungskräfte nicht in eine erzieherische Rolle schlüpfen wollen. In einer Führungsposition gehört es aber dazu, auf angemessenes Verhalten, Leistung und einen respektvollen Umgang hinzuweisen. Wesentlich ist es auch, klare Spielregeln festzulegen, transparent abzustimmen und gegebenenfalls zu diskutieren. Auch wenn in letzter Konsequenz die Führungskraft über die angemessenen und sinnvollen Rahmenbedingungen entscheidet. Um diese Skills zu lernen, muss Accidental Managern Unterstützung etwa durch Mentoring, Coaching oder andere passende Weiterbildungsangebote angeboten werden. So kann die Person in ihrer neuen Rolle Sicherheit gewinnen und Erwartungen klären und erfüllen.
Was macht das Training mit Pferden im Programm „Leading Alpha“ gegenüber klassischen Seminaren anders, und welche Verhaltensmuster in Führung und Kommunikation werden dort besonders deutlich?
Mein Buch „Das Excalibur-Prinzip: Führung gelingt mit männlichen und weiblichen Qualitäten – was wir von Pferden lernen können“ beschäftigt sich vor allem mit meinem Programm „Leading Alpha“. Besonders von Accidental Managern bekomme ich darauf positives Feedback, dass es für sie ein „Game Changer“ ist. Aber nicht nur für neue Führungskräfte ist das Programm eine schöne Grundlage. Der Kernunterschied zu anderen Workshops ist, dass die Teilnehmenden in echten Führungssituationen mit Pferden arbeiten (keine Rollenspiele). Die theoretischen Inputs werden direkt in die Praxis umgesetzt. Pferde reagieren unmittelbar auf den Führungs- und Kommunikationsstil und geben direktes Feedback. So sehe ich, was die Teilnehmenden schon gut können und wo es noch Entwicklungspotenzial, auch persönliches, nicht nur in der Führung, gibt.
Die Pferde als Co-Trainer sind ein wesentliches Erfolgskriterium unserer Workshops. Wir arbeiten mit vier bis sechs verschiedenen Tieren mit unterschiedlichen Charakteren – je nach Pferd müssen auch die Führungskräfte neue Ansätze ausprobieren – das verspricht ein schnelles Verstehen des eigenen Verhaltens und einen raschen Lernfortschritt. Das direkte Feedback spricht alle Lernkanäle an – auditiv, kinästhetisch, visuell, emotional und kognitiv. Dadurch werden die Teilnehmenden umfassend aktiviert und so wiederum ermöglicht, das eigene Handlungsspektrum in realen Führungs- und Kommunikationssituationen zu erweitern. Unser Credo lautet: Entwickle dich als Mensch, dann wirst du auch zu einer besseren Führungskraft. Wir übersetzen anschließend die Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Arbeit mit den Pferden direkt in den unternehmerischen und menschlichen Kontext. So wissen die Teilnehmenden anschließend genau, wie sie ihre Learnings aus der Pferdearbeit in ihre Führungsarbeit umsetzen können.
Wir haben in den Workshops aber auch gezielte Slots ohne Pferde eingeplant, wo wir konkrete Kommunikations-, Team- oder Führungssituationen aus dem Arbeitsalltag besprechen und supervisieren. Hier gehen wir individuell darauf ein, was die Teilnehmenden individuell basierend auf ihrer eigenen Persönlichkeitsstruktur anwenden können. Diese Kombination ist enorm effizient, um wirklich nachhaltige Führungskompetenzen zu entwickeln und dadurch den (wirtschaftlichen) Erfolg eines Unternehmens zu verbessern.
Wie lässt sich das „Excalibur-Prinzip“ in konkrete Führungsroutinen übersetzen – von Entscheidungsarchitektur bis Feedback – und woran messen Sie die Wirkung?
Das Excalibur-Prinzip ist Teil von „Leading Alpha“ und beschäftigt sich mit Führungsverhalten und -instrumenten von Alphatieren in Pferdeherden. Diese führen und kommunizieren sehr erfolgreich, daher sinddie Erkenntnisse daraus auch im unternehmerischen Kontext sehr lehrreich. Das Excalibur-Prinzip erklärt, wie man diese Prinzipien und Verhaltensweisen überträgt – von der Entscheidungsarchitektur bis hin zu Feedback-Routinen. Konkret geht es darum, wie Führungskräfte andere Menschen aktivieren und in ihr Leistungspotenzial bringen können. Wir gehen hier auf alle Phasen des Leistungsmanagements ein. Phase 1 wäre die Aktivierung: Was setzt Leistung in Gang. Phase 2 ist die Durchführung: Wie verhalten wir uns in der Umsetzungsphase. Und Phase 3 ist die der Reaktion: Wie reagieren wir, wenn wir ein Ergebnis erhalten. Hier erarbeiten wir das ideale Zielbild und vergleichen es mit realen Führungssituationen. In den Workshops sehen wir uns an, wie das Excalibur Prinzip bei den Pferden funktioniert und übertragen die Erkenntnisse dann Schritt für Schritt in die Unternehmenswelt. Wir besprechen reale Fallbeispiele und Lösungsansätze. Oft erkennen die Teilnehmenden in der Reflexion selbst, welche neuen Verhaltensweisen hilfreich wären. Dieses Entwicklungspotenzial trainieren und festigen wir dann, mit Pferden oder selbst im Führungsalltag. Die Wirkung messen wir letztlich daran, wie sich die Führungskultur und die Ergebnisse im Unternehmen verändern. Viele Teilnehmenden integrieren das Prinzip langfristig in der Führungskultur und merken Verbesserungen bei der Mitarbeiter:innenzufriedenheit und -bindung, Leistung und im wirtschaftlichen Erfolg.
Welche typischen Stolpersteine beobachten Sie bei neuen Führungskräften, und wie adressiert der Workshop „Neu in der Rolle als Führungskraft“ diese systematisch?
Typische Stolpersteine für neue Führungskräfte sind oft, dass ihnen nicht ganz bewusst ist, dass sie sich in einer neuen Rolle befinden. Sie sind nicht mehr Teil des alten Teams, sondern ihre neue „Heimat“ ist jetzt die Führungsebene und die gesamte „Führungsmannschaft“. Das führt manchmal zu Spannungen, wenn man versucht, gleichzeitig der alte Kumpel im Team und die neue Führungskraft zu sein. Sie neigen auch dazu, sich zu überfordern, weil sie allen gerecht werden wollen. Wenn sie zu schnell in die neue Rolle gehoben werden, nehmen sie sich oft nicht ausrechend und bewusst Zeit, um in ihre neue Position hineinzuwachsen und das eigene Führungsverständnis sowie den eigenen Selbstwert in diesem neuen Umfeld zu stärken. Dabei braucht es Zeit, um klare Rahmenbedingungen und Spielregeln für sich und das Team festzulegen und konsequent darauf zu achten, dass diese eingehalten werden. Das ist besonders wichtig, um Orientierung, Sicherheit und Glaubwürdigkeit in sich als Führungskraft im Team zu schaffen. Zusätzlich mangelt es anfangs an der Routine im Delegieren. Hinzu kommt die Tendenz, weiterhin im Umsetzungsmodus zu verharren, anstatt Aufgaben zu übertragen. Es ist essenziell, dass der Übergang vom ehemaligen Teammitglied hin zum Teil des Führungskreises akzeptiert wird und neue Manager:innen lernen, sich entsprechend abzugrenzen.
Wir haben dazu einen eigenen Workshop „Neu in der Rolle als Führungskraft“ entwickelt, um genau diese Herausforderungen systematisch anzugehen. Besonders zu Beginn muss wie erwähnt erst gelernt werden, klar zu delegieren, die neue Zugehörigkeit in der Führungsebene anzunehmen und Regeln im Team transparent zu kommunizieren und auch durchzusetzen. So finden neue Führungskräfte Schritt für Schritt in ihre neue Rolle, ohne sich zu verzetteln. Letztendlich ist es wichtig, ausreichend Zeit für Führungsarbeit und auch für die Reflexion des Führungsalltags einzuplanen. Neue Führungskräfte unterschätzen oftmals, wie viel zeitliche und mentale Kapazitäten in die Führungsarbeit einfließen müssen, damit diese qualitativ und wirksam möglich ist.
Wenn Organisationen tiefgreifende Veränderungen durchlaufen: Wie gestalten Sie die Verzahnung aus Beratung, Training und Begleitung, damit Kulturwandel im Alltag tatsächlich trägt?
Die Veränderung der Kultur – im Vergleich zu Struktur- oder Strategieveränderungen – ist die „Köngisdisziplin“ unter den Veränderungsprojekten. Es braucht nämlich die freiwillige Bereitschaft aller, sich persönlich zu entwickeln und zu verändern. Dies setzt auch voraus, dass ein gewisser Grad an Reflexionsfähigkeit bei jedem Einzelnen vorhanden ist. Die Auseinandersetzung mit sich selbst kann man nicht anordnen – anders als die Veränderung von Prozessen und Co. Eine Kulturveränderung gelingt in kleinen, aber nachhaltigen Schritten. Alle Beteiligten müssen durch gut überlegte Impulse zu einer Reflexion persönlicher Verhaltensmuster bewegt werden und dann gegebenenfalls dazu, sie zu ändern oder zu ergänzen. Wir begleiten einen Kulturwandel in einem klar strukturierten Prozess. Zu Beginn erarbeiten wir den Ist-Stand – also welche typischen Verhaltensweisen beispielsweise Führungskräfte im Alltag wirklich leben. Das nutzen wir zum Wandel der Führungskultur. Danach machen wir eine SWOT-Analyse – wir sehen uns an, was gut läuft und wir beibehalten wollen und wo es eventuell neue Verhaltensweisen braucht, um die langfristigen Ziele besser zu erreichen. Am Ende steht die gezielte Neuausrichtung: Wir definieren klar, welche neuen Verhaltensweisen im Führungsalltag künftig gelebt werden sollen, damit der Kulturwandel von allen getragen wird und im Unternehmensalltag sowie den Ergebnissen sichtbar ist. Dazu planen wir Maßnahmen und Trainings, um die Führungskräfte gezielt zu entwickeln, damit die nötigen Fähigkeiten aufgebaut werden können. Wichtig ist der Grundsatz „Weniger ist mehr“, da Verhaltensänderungen gut dosiert und realistisch in Gang gesetzt werden müssen.
Um den Erfolg messbar zu machen, legen wir nach den Maßnahmen die KPIs fest. Das könnten zum Beispiel Messgrößen wie Unternehmenserfolg, Mitarbeiter:innenzufriedenheit, Fluktuationsrate oder die Reduktion der Überstunden und Krankenstände sein. Dabei muss im Blick behalten werden, dass diese Messungen zwar Hinweise geben, ob die Richtung stimmt, aber nicht eins zu eins den gesamten Kulturwandel abbilden können. Anhand dieser Erkenntnisse kann die Reflexion beginnen, bei der wir hinterfragen, welche Maßnahmen wirklich hilfreich waren und beibehalten oder sogar verstärkt werden sollen – oder auch welche angepasst werden müssen. So gehen wir Schritt für Schritt voran und passen den Prozess immer wieder an die neuen Erkenntnisse an.
Über Elisabeth Proksch
Dr. Elisabeth Proksch ist Expertin für Unternehmenskulturen, Change-Management und Führungskräfteentwicklung. Seit mehr als 20 Jahren begleitet sie erfolgreich Führungskräfte aus Unternehmen wie REWE, Murexin, Chanel und RBI (Raiffeisen Bank International). Sie begreift Führungskräfte als Team – ähnlich wie im Sport: Es brauche Führungskräfte, die sich mit ihrem Team als Mannschaft und nicht als Einzelkämpfer:innen begreifen. Proksch ist außerdem bekannt für eine außergewöhnliche Coachingmethode: Sie coacht manche ihrer Seminarteilnehmer:innen mit Pferden, als Spiegel des Menschen machen sie Leadership-Defizite besonders schnell deutlich. Mit dieser Methodik ist sie Pionierin im europäischen Raum.
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