Manchmal fühlt sich das Leben an wie ein einziger langer Umweg. Während andere gefühlt schon im Kindergarten wissen, dass sie später Anwalt, Ärztin oder Architekt werden wollen, fühlst du dich, als ob du ohne den geringsten Plan durch ein riesiges Labyrinth irrst. Und dann, eines Tages – vielleicht Mitte dreißig, vielleicht noch später – stehst du plötzlich da und denkst: „Ach, das hier? Ja! Das ist es, wonach ich immer gesucht habe. “Willkommen im Club der Spätzünder. Es ist kein schlechter Club. Tatsächlich ist er ziemlich groß – und voller inspirierender Menschen mit tollen Talenten und interessanten Geschichten.
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Das Leben als Wundertüte
Wusstest du, dass die Mehrheit der deutschen Arbeitnehmer ungern zur Arbeit geht? Kein Wunder, wenn wir mit 18 schon entscheiden sollen, was wir unser Leben lang beruflich tun wollen. Wer weiß denn in diesem Alter schon wirklich, wer er ist? Für viele von uns ist das Leben in den Zwanzigern eine Zeit des Ausprobierens – mal ein Zweite-Wahl-Studiengang an der Uni, mal eine Ausbildung im Berufsfeld des Vaters, dann ein Job, der ganz okay ist, aber nicht wirklich begeistert. Letzteres passiert öfter, als man glaubt: Menschen landen in Jobs, die sich anfühlen, als würde man mit angezogener Handbremse durch den Tag fahren. Call Center, Kundendienst, irgendwas, das die Rechnungen bezahlt, aber keinen Raum für unsere Fähigkeiten und persönliches Wachstum bietet.
Und dann kommen die Kinder. Plötzlich dreht sich alles um sie: Windeln wechseln, Schlaflieder singen, Kaufladen spielen, Lego bauen. Das Leben fühlt sich gleichzeitig überwältigend und monoton an, und die eigene Identität rückt jahrelang in den Hintergrund. Aber die Kinder wachsen. Und irgendwann sitzt du da – vielleicht nach einer Scheidung, vielleicht einfach nur, weil sich die Lebensumstände durch den herannahenden Kindergarteneintritt ändern – und fragst dich: „Und ich? Was will ich eigentlich?“
Manchmal findet die Berufung auch dich
Das mit der Berufung ist so eine Sache: Sie ist wie ein verspäteter Zug. Manchmal kommt sie nicht, wenn du sie erwartest. Aber irgendwann fährt sie ein – oft auf eine Weise, die du nie geplant hättest.
Vielleicht ergeht es dir wie der Frau, die ich kürzlich traf. Sie hatte einen Bachelor-Abschluss, in einem Fach, das sie schon lange nicht mehr interessierte, und war nach Jahren als Hausfrau und Mutter davon überzeugt, dass der Zug für sie abgefahren sei. Doch dann ergab sich ein Zufall – sie half einer Bekannten mit Rat und Tat und merkte plötzlich: „Hey, ich kann das richtig gut – UND es macht mir Freude!“ Heute coacht sie Frauen in ähnlichen Lebenssituationen und hat endlich das Gefühl, angekommen zu sein.
Zeit und Reife machen den Unterschied
Der Vorteil an der verspäteten Berufung? Du bringst so viel mehr mit als vorher. Die Jobs, die du ausgeübt hast, die Lebenserfahrung, die du gesammelt hast, die Herausforderungen, die du beruflich wie privat gemeistert hast, und die vielen unterschiedlichen Menschen, die du kennengelernt hast – dieser bunte Strauß an Erfahrungen macht dich einzigartig. Du kennst dich selbst, deine Stärken und Bedürfnisse inzwischen besser, hast gelernt, was wirklich wichtig für dich ist, und stehst nicht mehr unter dem Druck, die Erwartungen anderer zu erfüllen.
Außerdem ist es befreiend zu wissen, dass der perfekte Lebenslauf eine Illusion ist. Wer sagt, dass dein Weg schnurgerade verlaufen muss? Vielleicht führt er über Umwege, Wendepunkte und manchmal sogar Sackgassen. Doch jeder Schritt bringt dich näher zu dem, was sich echt und richtig anfühlt.
Es ist nie zu spät, um glücklich zu sein
Am Ende geht es nicht darum, wie früh oder spät du deinen Weg findest. Es geht darum, dass du ihn überhaupt findest. Das Leben hat keine Deadline für Glück oder Erfolg – und erst recht keine für das Finden deiner Berufung.
Wie C. S. Lewis sagte: “You are never too old to set another goal or to dream a new dream”.Wenn du also gerade das Gefühl hast, dass du im Leben hinterherhinkst, dann denk daran: Vielleicht hat der Zug deiner Berufung einfach nur ein bisschen Verspätung. Und das Beste daran? Du bist nicht zu alt, zu unqualifiziert oder zu spät dran, um einzusteigen, wenn er kommt. Es braucht nur den Mut, an dich selbst zu glauben, und die Bereitschaft, auf die Möglichkeiten zu achten, die das Leben dir auf deiner ganz individuellen Route bietet.
Denn manchmal wartet das größte Abenteuer nicht am Anfang deiner Reise – sondern mitten auf der Strecke.
Annika Krämer
Business- und Karriere-Coach, Trainerin
(Ursprünglich Übersetzerin B.A. / Studiengang Übersetzungswissenschaften)
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